Bereits zum dritten Mal haben der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und der Nationalpark Berchtesgaden zwei junge, noch nicht flugfähige Bartgeier in einer Felsnische im Klausbachtal erfolgreich ausgewildert. Das auf zehn Jahre angelegte Projekt soll die zentraleuropäische, alpine Population dieser seltenen Vogelart stärken und mit den Beständen auf dem Balkan und in Kleinasien verbinden. Willkommen zurück, großer Geier!
(c) Richard Straub
Unser erstes Männchen im Projekt ist gerade einmal 107 Tag alt und somit einer der jüngsten Geier auf dem Jungfernflug in der über 30-jährigen Geschichte des europäischen Auswilderungsprogramms“, freut sich LBV-Projektleiter Toni Wegscheider.
(c) Richard Straub
27 Tage nachdem der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und der Nationalpark Berchtesgaden am 24. Mai im Klausbachtal zum dritten Mal zwei noch flugunfähige junge Bartgeier ausgewildert haben, hat der erste der beiden Vögel die eingezäunte Felsnische verlassen (siehe Video).
Datum | Titel der Pressemitteilung |
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29.11.2023 | Wilde Bartgeier zu Besuch im Nationalpark Berchtesgaden |
21.09.2023 | Nepomuk und Sisi fliegen über die Gipfel Österreichs |
20.06.2023 | Sisis Abflug in der Morgendämmerung |
17.05.2023 | Vom Tiergarten Nürnberg in die Berchtesgadener Alpen |
18.04.2023 | Griaß eich: Österreichische Bartgeier für Bayern |
29.03.2023 | Neues von Bavaria, Recka und Dagmar |
Unsere beiden österreichischen Geier stammen aus dem Alpenzoo Innsbruck sowie Tiergarten Nürnberg.
BG1171 - (c) Matthias Lehnert
Geburtscode: BG1171
Taufname: Sisi
Zuchtname: Maxi
Schlupf: 26.02.2023
Eltern: Romeo & Julia
Ringfarbe: rot/rot
Auswilderungsgewicht: 5,5 kg
BG1178 - (c) Luisa Rauenbusch
Geburtscode: BG1178
Taufname: Nepomuk
Zuchtname: Wastl
Schlupf: 06.03.2023
Eltern: BG 468 & BG 381
Ringfarbe: blau/gelb
Auswilderungsgewicht: 4,5 kg
Hier finden Sie Karten, die Ihnen zeigen, wo unsere Bartgeier-Damen überall rumkommen. Somit kann der weitere Lebensweg der Vögel in den nächsten Monaten und Jahren ebenfalls mitverfolgt werden. Durch eine Ausstattung der Bartgeier mit GPS-Sendern werden die zukünftigen Flugrouten der Vögel auf einer jeweils separaten Karte dargestellt werden. Die Daten werden dort, wie europaweit bei allen Bartgeieransiedlungen üblich, zur Sicherheit der Vögel mit drei Tagen Verzögerung eingestellt. Damit soll verhindert werden, dass die Vögel etwa an ihren Schlafplätzen durch Schaulustige gestört werden.
Der Link zu den Karten des LBV:
https://www.lbv.de/naturschutz/arten-schuetzen/voegel/bartgeier/gps-bartgeier/
Die Presseaussendung vom Auswilderungstag finden Sie unter dem untenstehenden Link:
Das Videomaterial vom Auswilderungstag finden Sie unter dem untenstehenden Link.
Newscuts (5–8 Min., FullHD) stellen wir Ihnen dort zur Verfügung:
Hinweis: Bitte geben Sie den im Dateinamen angegebenen Bildautor an. Verwenden Sie das Bildmaterial nur für Berichterstattung über das Bartgeierprojekt. Die Bilder dürfen nicht in Archiven verwendet werden. Die Weitergabe an Dritte ist nicht erlaubt.
Warum eignet sich der Nationalpark Berchtesgaden ganz besonders als Auswilderungsort für die ersten Bartgeier in Deutschland? Einige Daten und Fakten:
Eine Machbarkeitsstudie des LBV zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in Bayern aus dem Jahr 2019 attestiert dem Nationalpark Berchtesgaden eine besonders gute Lebensraumeignung für den Bartgeier.
Der Nationalpark Berchtesgaden war und ist als integraler Partner zur Durchführung der Wiederansiedlung eng in Sondierungen sowie in die Entstehung der oben genannten Studie eingebunden.
In den Berchtesgadener Alpen gibt es mehrere historischer Nachweise auf das Vorkommen von Bartgeiern, außerdem ist der Nationalpark vermutlich das einzige historische Brutgebiet in Deutschland.
Verkarstete Bergregionen sind grundsätzlich günstig für das Vorkommen von Bartgeiern, v. a. wegen starker Thermikbildung (Zink 2005).
Der Nationalpark Berchtesgaden verfügt über ausgewiesene Experten in den Bereichen Wildbiologie, Ornithologie und auch Handwerk (auch im alpinen Gelände). Nationalparkmitarbeiter sind bzgl. Knowhow und Monitoringerfahrung sowie durch ihre technische Ausstattung in der Lage, die Voraussetzungen für eine Auswilderung von Bartgeiern zu schaffen, zu begleiten und dauerhaft sicher zu stellen.
» Das Personal des Nationalparks Berchtesgaden verfügt über umfangreiche Erfahrung in der geier-/greifvogelfreundlichen Bereitstellung von Kadavern.
Bereits 1987 wurde dem Nationalpark Berchtesgaden von Buchli eine gute Eignung als Freilassungsplatz bescheinigt, der betont: «Für eine erfolgreiche Wiederansiedlung genügen günstige Verhältnisse im Lebensraum nicht. Auch der Organisation der Aussetzungsaktionen muss die notwendige Beachtung geschenkt werden.»
Die Berchtesgadener Bevölkerung ist durch das Vorkommen von Steinadlern sowie durch die nahe Salzburger Gänsegeierkolonie grundsätzlich vertraut mit Großgreifvögeln. Vergleichbare lokale Verhältnisse waren bereits bei Projektbeginn in den 1980er Jahren maßgeblicher Entscheidungspunkt für ersten Freilassungsplatz in Rauris/Salzburger Land (Frey 2019).
» Die Salzburger Gänsegeier werden Anziehungspunkt für Bartgeier sein, z.B. zur Erleichterung der Nahrungssuche.
Lokale Institutionen sind in der Region Berchtesgaden sehr aufgeschlossen gegenüber der Wiederansiedlung von Bartgeiern, unter anderem unterstützen der Forstbetrieb Berchtesgaden der Bayerischen Staatsforsten sowie die Kreisgruppe Berchtesgadener Land des Bayerischen Jagdverbandes das Projekt.
Die Nähe zu den Hohen Tauern ermöglicht zusätzlich einen Beitrag zur Bildung eines ostalpinen Kernvorkommens mit sozialer Attraktion weiterer wandernder Bartgeier.
Bei der Wildbestandsregulierung im Nationalpark Berchtesgaden kommt bereits seit mehreren Jahren ausschließlich bleifreie Munition zum Einsatz.
Die Nahrungssituation für Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden ist gut aufgrund hoher Schalenwilddichten
Seit den 1970er Jahren wurden enorme Anstrengungen unternommen, den einstigen Alpenbewohner in seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet wieder anzusiedeln.
Im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) für Bartgeier beteiligen sich rund 40 spezialisierte Zoos und Zuchtstationen an diesem internationalen Wiederansiedlungsprojekt. Bis zum Jahr 2020 wurden bereits 233 junge Geier in den Alpen ausgewildert. Heute schätzt man den Bartgeierbestand im gesamten Alpenraum auf ca. 300 Tiere.
Aufgrund der schlechten Entwicklung in den Ostalpen braucht es weitere Auswilderungen, um die sehr geringe genetische Diversität im Alpenbestand zu verbessern und die Bartgeierbestände im Osten und Westen zu vernetzen.
Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen. Dazu wird der LBV in Kooperation mit dem Nationalpark und dem Tiergarten Nürnberg im Rahmen des EEP in den kommenden Jahren jeweils 2 bis 3 Jungvögel im Klausbachtal freilassen – erstmals im Sommer 2021.
Dabei kommt die bewährte "Hacking"-Methode zur Anwendung, bei der 2-3 junge Bartgeier im Alter von ca. 90 Tagen in eine gut geschützte Auswilderungsnische gebracht und dort versorgt werden. Mit einer Überlebensrate von 88 % im ersten, bzw. gar 96 % im zweiten Lebensjahr ist diese Vorgehensweise außerordentlich erfolgreich.
Die alpenweite Wiederansiedlung des einst heimischen Bartgeiers gilt als einzigartiges Beispiel im internationalen Naturschutz.
Die Federmarkierungen (siehe Foto) sind individuell für jeden ausgewilderten Jungvogel im ganzen europäischen Wiederansiedlungsprojekt und bleiben bis zur ersten Mauser, also ca. 2 Jahre, erhalten.
Das Bartgeier-Zuchtzentrum von Guadalentín hat heuer einen weltweiten Rekord aufgestellt, da es in der Brutsaison 2020/21 10 Bartgeier-Küken zur Welt brachte! Keine andere Einrichtung auf der Welt hat es bisher geschafft, eine so hohe Anzahl von Küken in einer einzigen Brutsaison hervorzubringen. Dieser wichtige Meilenstein wurde dank des langfristigen Engagements und der Strategie der Junta de Andalucía und der Unterstützung des Bearded Vulture Captive Breeding Network Wirklichkeit.
Das erste Bartgeierküken schlüpfte in Guadalentín vor fast 20 Jahren, genauer gesagt im Februar 2002. Heute, 25 Jahre nach der Gründung des Zentrums, sind insgesamt 102 Küken in dieser Einrichtung geschlüpft und haben überlebt. Gegenwärtig bringt Guadalentín jedes Jahr die meisten Küken hervor und ist darauf spezialisiert, Küken aus anderen Zentren und Zoos zu adoptieren und aufzuziehen, was es zum bedeutendsten Zentrum innerhalb des Bartgeier-Zuchtnetzwerks macht, das von der Vulture Conservation Foundation (VCF) im Auftrag des EEP der EAZA (Bearded Vulture EEP) koordiniert wird.
Ab 2020 hat die VCF im Rahmen eines Zweijahresvertrags mit der Junta de Andalucía auch die Leitung von Guadalentín übernommen und damit ein wertvolles Expertenteam für die Zucht in Gefangenschaft dieser Art.
Beide sind absolut eindeutig nur an den Ringen und den gebleichten Federn zu erkennen. Diese sind aber über die Kamera meist nur schwer zu sehen. Folgende Merkmale sind mit etwas Übung aber ganz gut zu unterscheiden.
Im Gegensatz zu vielen anderen Greifvogelarten ist der Größenunterschied zwischen Weibchen und Männchen nur minimal. Weibchen sind tendenziell etwas größer und schwerer, dies ist aber auf der individuellen Ebene nicht mit bloßem Auge zu erkennen. Das Aussehen ist ansonsten gleich. Das Geschlecht kann leicht mit einer genetischen Untersuchung festgestellt werden.
Die äußerlich nicht erkennbaren Geschlechter der Vögel werden erst kurz vor der Auswilderung durch eine genetische Untersuchung per Blutentnahme ermittelt. Prinzipiell geht es auch nicht darum, ein Pärchen freizulassen. Bartgeier sind erst mit rund 6 Jahren geschlechtsreif, zu einem Fortpflanzungserfolg kommt es im Schnitt erst mit 8 bis 9 Jahren. Zudem sind Bartgeier sehr wählerisch was die Partnerwahl betrifft, dies ließe sich kaum „erzwingen“.
Wichtig für das Projekt ist es, möglichst viele junge Bartgeier auszuwildern, die möglicherweise eine starke Bindung zu ihrem neuen Zuhause aufbauen (siehe Philopatrie, Punkt 10).
Entscheidender ist die Auswahl von geeigneten genetischen Linien, um die Variabilität einer möglichen Ansiedelung im Projektgebiet zu beeinflussen.
Die äußerst bewährte, sogenannte „modifizierte Hacking Methode“, nach der das Protokoll der Wiederansiedlungen seit Jahrzehnten verfährt, schreibt vor, dass immer mindestens zwei Jungvögel zusammen ausgesetzt werden müssen. Dies fungiert als Sozialfunktion und soll die plötzliche Trennung von den Eltern abpuffern.
Durch die optimale Nahrungsversorgung und das (beinahe) gleiche Alter und den dadurch ähnlichen Entwicklungszustand sind die schwerwiegendsten Konkurrenzfaktoren minimiert. Trotzdem bildet sich meist ein Dominanzverhalten aus, Konflikte werden ausgetragen und sie versuchen oftmals, den anderen Jungvogel zu verdrängen. In der Regel passiert dabei aber nichts Schlimmeres, die Nische ist groß genug, um sich auch mal aus dem Weg zu gehen und es gibt reichlich Futter für alle.
Durch die ständige Beobachtung hätte man zudem die Möglichkeit einzugreifen. Dies kommt aber nur äußerst selten vor.
Die Erfahrung zeigt: Die Entwicklung von nach dieser Methode ausgesetzten Jungvögeln nimmt später einen völlig normalen Verlauf.
Ausgesetzt werden die aus Gehegehaltung stammenden und noch nicht ganz flüggen Jungvögel im Alter von ca. 90 Tagen in eine gut geschützte Felsnische an sorgfältig ausgewählten Orten in den Alpen. Insgesamt wird der Prozess des natürlichen Ausfliegens imitiert und das mit großem Erfolg. Die Hauptfunktionen der Eltern (Schutz, Nahrung) übernimmt dabei der Mensch, jedoch ohne direkten Kontakt. Die Jungvögel werden dabei rund um die Uhr bewacht und je nach Bedarf meist alle 2-3 Tage gefüttert.
Hauptsächlich Knochenstücke und Läufe von Schalenwildarten: Reh, Gams, Rothirsch. Es sollte mindestens 20 % Fleischanteil enthalten sein, da die Jungvögel reine Knochennahrung noch nicht so gut verdauen können und auf den Wassergehalt im Fleisch angewiesen sind. Wir haben Kooperationen mit Jägern der BaySF und des Nationalparks abgeschlossen. Diese sammeln für uns Teile, die sie ansonsten nur entsorgen würden.
Im Alter von 110 bis 120 Tagen wagen die jungen Bartgeier in der Regel ihren ersten Flug.
Dieser Zeitpunkt lässt sich ganz gut einschätzen, denn wie beim natürlichen Vorgang bleiben die flüggen Jungvögel nach dem Ausfliegen meist erst einmal in Horstnähe. Es entsteht eine Bindung an die Horstumgebung und dabei kommt es häufig auch zur sog. Philopatrie.
Philopatrie bedeutet wörtlich übersetzt „Heimatliebe“. Hier im übertragenen Sinn meint man damit die Rückkehr an den Geburtsort bzw. in unserem Fall an den eingeprägten Auswilderungsort. In der Nestlings- und Ausflugszeit ist die Lernfähigkeit am höchsten. Daher bilden die Jungvögel eine Bindung an den Auswilderungsort, die auch nach den Wanderjahren noch anhält.
Nach mehreren Jahren Wanderschaft entstehen möglicherweise Ansammlungen von zurückgekehrten Bartgeiern im Umfeld des Auswilderungsplatzes. Im Idealfall gehen einige der Rückkehrer dann eine Paarbindung ein.
Aufgrund der langen Zeit, die es braucht, bis Bartgeier erfolgreich Nachwuchs hervorbringen, macht ein Wiederansiedlungsprojekt nur langfristig Sinn. Geplant ist eine Projektlaufzeit von 10 Jahren, in der pro Jahr etwa 2-3 Jungvögel ausgewildert werden.
Es ist wirklich erstaunlich, wie gut sich die jungen Bartgeier alleine auf Grund ihrer angeborenen Verhaltensweisen und ihrer großartigen Anpassungsfähigkeit zurechtfinden an den ihnen vorher total unbekannten Orten zurechtfinden.
Sie üben das Fressen von größeren Knochenstücken, trainieren die Flugmuskulatur und werden mit der Zeit zu gewandten und geschickten Fliegern. Sogar die Technik des Knochenzerkleinerns durch Fallenlassen aus großer Höhe auf geeignete felsige Oberflächen („Knochenschmieden“) ist in groben Zügen angeboren. Freilich muss es erst langwierig trainiert und perfektioniert werden.
Körperlänge: 94 – 125 cm
Spannweite: 2,3 – 2,9 m
Gewicht: 5 – 7 kg
Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,9 Metern zählt der Bartgeier zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Er ist neben dem etwa gleich großen Mönchsgeier der größte Greifvogel Europas. Damit ist er deutlich größer als der Steinadler - ein echter König der Lüfte also!
Das Bartgeierprojekt in Bayern haben der Nationalpark Berchtesgaden und der bayerische Naturschutzverband LBV gemeinsam initiiert, 2021 fand die erste Auswilderung statt.
Das Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz durch Zuwendungen für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefördert.
Bartgeier sind reine Aasfresser und ernähren sich hauptsächlich von Knochen (ca. 85 % der Nahrung). Damit vermeidet der Bartgeier die Konkurrenz zu anderen Greifvögeln und erschließt eine durchaus reichhaltige Nahrungsnische - kein anderes Wirbeltier ernährt sich fast ausschließlich von Gebeinen, die mit einem Gehalt von 12 % Protein, 16 % Fett und 23 % Mineralien äußerst nahrhaft sind.
Leitung „Haus der Berge“, Informationsstellen, Steinadler- und Bartgeiermonitoring